- Bericht 18 Addis Ababa - Awasa - Addis Ababa(Äthiopien) 01.02.08 - 27.02.08; Kilometer: 9050 - 9908;

Eine Fahrradtour, wie meine ist, wird vor allem durch Begegnungen beeinflusst. Und auch wenn es nicht immer die sind, die ich mir wünsche, so gehören sie doch dazu und prägen meine Reise.

Im Projekt „Godanaw“, in Addis Ababa, traf ich Michael, der dort im Büro arbeitet. Als ich ihm von Bike-Together erzählte, war er gleich Feuer und Flamme und wollte mich ein paar Tage bis nach Awasa begleiten. Drei Tage später starteten wir zusammen in das Fahrradabenteuer. Die Passanten, denen wir begegneten waren immer sehr verwundert: ein Schwarzer und ein Weißer zusammen auf einem Fahrrad, dass haben sie noch nie zuvor gesehen gehabt. Schnell gewöhnte sich Michael an das Fahrrad und so fuhren wir fast jeden Tag 100 Kilometer. Am zweiten Tag erreichten wir den viel gerühmten Lake Langano. Ich erwähne ihn, weil er einer der einzigen Seen in Afrika ist, in dem man schwimmen kann und ihn viele Äthiopier für den schönsten Ort ihres Landes, oder gar der ganzen Welt halten. Er liegt im Rift Valley und aufgrund des starken Fluoridgehalts und anderen Stoffen, gibt es keine Bilharziose in dem Gewässer. Es bereitete mir allerdings nur wenig Vergnügen, mich in der trüben, schmierigen Brühe zu räkeln, aber eine Abkühlung war es dennoch. Am Abend schwärmte mir dann ein Äthiopier, bei einem Glas Whiskey vor, dass dieser Ort, mit dem schwarz glänzendem Strand, dem goldenem und der Haut so wohltuendem Wasser, nur von Gott geschaffen sein kann. Ich fand es faszinierend, wie unterschiedlich man ein und denselben Ort beschreiben kann. Er wollte es mir auch nicht abnehmen, dass es ein paar, aber wirklich nur ganz wenige, ein kleines bisschen schönere Strände auf dieser Welt gibt.
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Am dritten Tag erreichten wir mit viel Rückenwind Awasa, das am gleichnamigen See liegt und Michael trat die Rückreise nach Addis mit einem Bus an. Ich traf dort Familie Schmidtke, eine Deutsche Familie, die in Awasa für die Helimission arbeitet. Mit dem einzigen zivilen Helikopter missionieren sie die entlegenen Gebiete Äthiopiens. Ich durfte in deren Garten mein Zelt aufschlagen und genoss die ersten Tage direkt am See. Von dort konnte ich Nilpferden zusehen, die sich im See sulzten, Weißkopfseeadler, die auf Fischjagt gingen, Eisvögel, die in der Luft stehend das Wasser beobachteten, um sich dann blitzschnell hinabzustürzen und mit einem Fisch im Schnabel wieder auftauchten und verschiedene Affen, die durch die Bäume jagten. Für mich war es auch sehr interessant zu sehen, wie eine deutsche Familie in Afrika lebt und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben. Die beiden Jungs werden im Homeschooling von der Mutter unterrichtet. Da kommen dann Fragen auf, welches Abitur wird wie anerkannt, welche Ausbildung ist finanzierbar und wie wird es weiter gehen?

In den folgenden Tagen konnte ich mich ein wenig behilflich machen und beim Entladen eines Containers helfen, der einen Hanger für den Hubschrauber enthielt. Mit einem Gabelstapler und viel Manpower schafften wir es schließlich, die schweren Stahlträger zu entladen. So schön auch die Zeit war, heißt es auf Reisen immer wieder Abschied nehmen, schließlich wollte ich noch weiter in Richtung Bale Mountains fahren.

 

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Noch wusste ich nicht, was mich erwarten würde, nur, dass die Strasse nicht die Beste sein würde und ich einen 3600 Meter Pass zu bewältigen hätte. Doch sobald ich die Asphaltstrasse verließ, verwandelten sich die meisten Leute in aggressive, nach Allem bettelnde „Bestien“. Die Kinder waren noch schlimmer und bewarfen mich mit zahlreichen Steinen, um ihren Forderungen mehr Ausdruck zu verleihen. Es war teilweise die Hölle. Ständig von Kindern umringt zu sein, die neben einem her rennen, mich mit Steinen bewerfen und probieren, alles was sie kriegen können vom Fahrrad zu stehlen. Vor allem Wasserflaschen waren heiß begehrt. In einem Ort wurde ich fast von allen Bewohnern gejagt, Steine flogen und zwei Kinder haben meine Taschen geschnappt und so daran gezogen, dass ich nur knapp einem Sturz entging. Als ich anhielt, fand ich mich auf dem Boden wieder, mit einem großen Stein in der Hand und wollte ihn einfach nur in die Menge werfen, es wird schon den Richtigen erwischen. Doch dann realisierte ich, was ich da vor hatte und war von mir selbst erschrocken. Wohin haben mich diese Leute hier nur getrieben? Die Kinder waren etwas zurückgewichen und ich nutzte die Gelegenheit, schell zu flüchten. Da tauchte neben mir ein Äthiopier auf seinem Fahrrad auf und meinte zu mir: „I’m a poor student, give me money!“ Ich glaub ich pack´s  nicht! Da ist das ganze Dorf hinter mir her und du willst auch noch Geld haben? Er bekam von mir ein wütendes „Halts Maul“ zu hören und er ließ von mir ab. Danach fuhr ich an einer Brücke vorbei, die Arbeiter gerade reparierten und Steine mit Hämmern bearbeiteten. Ich dachte mir nur sarkastisch: “Ahhh, hier werden die Steine also in handliche Wurfgeschosse verarbeitet und so muss man nicht die leicht abgerundeten auf der Piste nehmen, nein man hat welche mit schön scharfen Kanten und Ecken!“ Natürlich wurde ich auch von den Arbeitern angebettelt, aber die Steine blieben an Ort und Stelle. An so einem Tag bin ich kurz davor, Jeden nur anzuschreien und zu verfluchen. Am Abend war ich froh, ein Hotel zu erreichen, einfach die Türe zu schließen und für den Abend niemanden mehr zu sehen.

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Auf der anderen Seite hatte ich in Äthiopien eine tolle Zeit und habe auch die Lebensart der Äthiopier sehr genossen. Aber an einigen Fahrradtagen haben diese steinewerfende Bastarde einem das Leben so schwer gemacht, das man keine Freude mehr hat dieses Land zu bereisen. Himmel und Hölle liegen hier manchmal dicht beieinander. Viele Radfahrer sind froh, wenn sie das Land verlassen und nie wieder kommen müssen. Wenn ich wieder komme, dann ganz sicherlich ohne mein Fahrrad.


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